Das Gesamtwerk als Horizont künstlerischer Produktion in Moderne und Gegenwart
Das Forschungsprojekt beschäftigt sich mit der Aufwertung des Gesamtwerks zu einem privilegierten Kontext des Einzelwerks in der Moderne und Gegenwart. Während das ›Meisterwerk‹ noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts als unumstrittener Maßstab einer erfolgreichen Künstlerkarriere galt, produzierten Künstler seit dem späten 19. Jahrhundert ihre Werke zunehmend in Serien und stellten ganze Werkgruppen in Einzelausstellungen aus. Sie begannen dabei ihr – in letzter Konsequenz erst posthum zu erfassendes – Œuvre gleichsam vorwegzunehmen: Sie führten selbst ihren Werkkatalog, erstellten transportable Sammlungen ihrer Hauptwerke oder arbeiteten bisweilen sogar an lebenslangen Projekten. Mit der Selbsthistorisierung wird zum einen ein autoritativer Kontext geschaffen, in dem die vergangenen, aktuellen und künftigen Werke betrachtet und diskutiert werden sollen. Zum anderen machen diese Praktiken bereits geschaffene Arbeiten als eine Art Residuum der künftigen Produktion verfügbar.
Das Projekt möchte den Vorstellungen und Praktiken der Werkkonzeption nachgehen. Sie zielen dabei zum einen auf eine Sichtbarmachung des Œuvres als einen wichtigen und bislang weitgehend vernachlässigten Umstand der künstlerischen Produktion ab; zum anderen stellen sie Ansätze zu einer Kritik der bis heute in der Kunstgeschichte und -kritik äußerst wirksamen und nicht selten biologisch fundierten Analogiebildung zwischen Leben und Werk bereit.
Bild: Rodney Graham: My Late Early Styles (Part I, The Middle Period), 2007-2009.
Chromogenic photograph, 186.4 x 247.6 cm. © Rodney Graham; Courtesy Lisson Gallery. Photography by Dave Morgan.